Heute beim Aldi

Heute beim Aldi wurde ich Opfer eines neuen Gesetzes und vorsichtig von der Filial-Leiterin beiseite gezogen und belehrt. Dabei habe ich nichts geklaut. Ich brauchte einfach nur mal eben ein Mobilfunk-Starterset für meine Frau. So was hatte ich bei Aldi in der Vergangenheit schon mehrfach gekauft, für Stiefsöhne, Omas und sonstwen. Ich verdanke dem Aldi-Mobilfunk sogar die Tatsache, dass ich und meine Familie heute noch ein normales Leben führen können, aber das zu erklären führt hier und jetzt zu weit.

Also ich kannte das jedenfalls so: man kauft einfach für 15 Euro diese nett verpackte Ansammlung von überflüssigem Papier plus einer SIM-Karte direkt an der Aldi-Kasse, geht heim, schiebt die SIM-Karte ins Phone, muss sich vielleicht noch auf der aldi-talk-Site registrieren, und los gehts.

Doch diesmal war alles anders. Die Kassiererin schien fast entsetzt über meinen Wunsch nach einem Starter-Set. Besorgt blickte sie auf die lange Kundenschlange an der Kasse, dann erhob sie sich und eilte zu einer unauffälligen Tür in Eingangsnähe, öffnete diese, schloss sie, und war weg. Es dauerte fast eine Minute, bis sie wieder kam. Ich fühlte mich schon total schlecht wegen der ungeduldig wartenden Schlange hinter mir. Eine Frau hatte mich sogar vorgelassen, weil ich sonst nichts eingekauft hatte.

Die Kassiererin kam jedoch nicht nur mit dem erhofften Starter-Set zurück, sondern auch in Begleitung der Filialleiterin. Letztere hatte ein speziell präpariertes Tablet in der Hand und bat mich, nachdem ich das Starter-Set bezahlt hatte, beiseite, um „den Registrierungsprozess zu starten“. Dazu sei mein Personalausweis erforderlich. Den hab ich immer dabei – kein Problem also, auch wenn ich die Szene schon etwas merkwürdig fand. Dann fragte sie beiläufig, ob das Starter-Set für mich selber sei. Ich antwortete, weil ich nichts Böses ahnte, die Wahrheit, also dass es für meine Frau sei. Dann könne sie mir leider nicht helfen, meinte die Filialleiterin. Da müsse ich dann mit meiner Frau und deren Personalausweis persönlich erscheinen, oder ein Video-Ident-Verfahren absolvieren, das aber leider viele Kunden überfordere.

Ich dachte, ich bin in einem schlechten Film. Verabschiedete mich mit „ich nehm das Starter-Set dann erst mal mit“ und dachte an die letzten Worte, die die Filialleiterin an mich richtete, weil sie mein Im-falschen-Film-sein spürte. „Es wird immer verrückter in Deutschland. Ich weiß. Aber ich kann auch nichts dagegen tun.“

Zuhause angekommen, packte mich der Pioniersgeist. Die Tatsache, dass dieses sogenannte Video-Ident-Verfahren viele Kunden überfordere, bedeutete mir einen Anreiz. Der technische Teil war einfach. Eine App namens Aldi-Talk-Registrierung herunterladen und deren Anweisungen folgen. Dabei musste man den Personalausweis der Person scannen, die zum „Anschlussinhaber“ werden soll. Aber damit nicht genug. Meine Frau musste am Ende selber ran. Videotelefonat mit einem Aldi-Service-Mitarbeiter, wo sie Hampelmann spielen musste und ihren Personalausweis vor ihr Gesicht halten musste, damit das Gegenüber sicher sein konnte, es hier nicht mit einem zusammengeschnittenen Video zu tun zu haben, sondern mit einer Live-Szenerie.

Ich war echt beeindruckt. Mir war schon klar, wohin alles geht. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es schon so weit fortgeschritten ist. Ach so: es handelt sich um das neue Gesetz oder die Verordnung „besondere Überprüfung der Kunden- und Ausweisdaten für Prepaid-Anbieter“, das seit 1. Juli 2017 gilt.